19.02.2025

Christina Kleinpass, Igor Mikulina und Jens Jerzembeck über den neuen IF Digital Award powered by SCHWEISSEN & SCHNEIDEN

Digitalisierung und Kommunikation sind die großen Themen der SCHWEISSEN & SCHNEIDEN (15. bis 19. September 2025). Ein Höhepunkt ist dabei die erstmalige Verleihung des IF Digital Award, den die IndustryFusion Foundation (IFF), die Messe Essen und der DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. gemeinsam ausloben. Christina Kleinpaß, Projektleiterin der SCHWEISSEN & SCHNEIDEN, Igor Mikulina, Präsident des IFF-Stiftungsrates, und Jens Jerzembeck, Abteilungsleiter Forschung und Technik im DVS, berichten über einen Preis zur rechten Zeit, neue Akzente der Weltleitmesse – und wie der Mittelstand die digitale Transformation bewältigen kann.
Frau Kleinpaß, warum jetzt dieser Preis, und warum lohnt sich die Teilnahme?
Kleinpaß: Einen Preis wollten wir zur SCHWEISSEN & SCHNEIDEN schon lange ausloben, und die Digitalisierung war natürlich auch vor zwei Jahren auf der Messe ein Megathema, dem wir uns in Form einer Rallye gewidmet haben. Der Vorteil des Awards aus Teilnehmersicht liegt natürlich in der medialen Unterstützung auf allen Kanälen. Wir haben ein eigenes Logo entwickelt, das die Besucher sowohl auf der Messe als auch auf unseren digitalen Kanälen gezielt zu den Teilnehmern lenkt. Die Abstimmung erfolgt ebenfalls digital. Erhöht wird der Wert der Auszeichnung noch dadurch, dass wir den IF Digital Award bewusst als Publikumspreis konzipiert haben. Denn wer könnte besser als die Besucher der SCHWEISSEN & SCHNEIDEN beurteilen, ob eine Lösung wirklich in der Praxis Nutzen stiftet?
Herr Jerzembeck, warum engagiert sich der DVS für den IF Digital Award?
Jerzembeck: Die Frage, wie unsere Branche Digitalisierung nutzt, beschäftigt uns im DVS schon länger. Worum es dabei eigentlich geht, ist, all die Netzwerke, Daten und Datenflüsse, die mit der spezifischen Prozesskette der Fügetechnik verbunden sind, zu nutzen – sei es zur Prozesssteuerung, zur Qualitätsbewertung, zur Dokumentation oder der Teilebestellung und vielem mehr. Unser Gefühl ist, dass die Branche ein bisschen konservativ an das Thema Digitalisierung herangeht. Aber trotz aller Umfragen und Vernetzungsformate können wir die Frage, wer konkret was macht, noch nicht vollumfänglich beantworten. Geht es um Insellösungen von Unternehmen? Werden komplette Fertigungsketten dargestellt? Der IF Digital Award ist für uns ein wertvoller Indikator, um Innovationspfade noch besser zu verstehen und die Bereiche zu identifizieren, in denen wir als Verband unterstützen können.
Herr Mikulina, die von Ihnen ins Leben gerufene IndustryFusion Foundation (IFF) darf in dieser Hinsicht wohl als Leuchtturmprojekt gelten. Woher kam die Idee und wie passt sie in die Zeit?
Mikulina: Wir sehen uns aktuell drei großen Herausforderungen gegenüber. Das sind die Energiepreise, das sind die fehlenden Aufträge und das ist vor allem die Digitalisierung. Wir brauchen neue Technologien und die SCHWEISSEN & SCHNEIDEN hat uns diesbezüglich immer schon den Weg gezeigt. Zugleich haben wir im vergangenen Jahrzehnt leider auch beobachtet, dass jeder Marktteilnehmer versucht hat, jeweils seine proprietären Lösungen umzusetzen. Was uns fehlte, war eine weltweit verfügbare und von allen Unternehmen einsetzbare Infrastruktur, um eine intelligent vernetzte Produktion wirklich darzustellen – hoch sicher, dezentral und so gestaltet, dass sie der Branche Mehrwert verschafft. Dies will die IFF leisten.
Wie weit sind Sie in der Umsetzung?
Mikulina: Einen Meilenstein haben wir dadurch erreicht, dass wir große Player aus der IT-Branche vom Potenzial der Zusammenarbeit überzeugen konnten. Vertreter von prominenten IT-Unternehmen wie Intel, Dell oder IONOS haben die SCHWEISSEN & SCHNEIDEN 2023 besucht und waren beeindruckt vom Potenzial. Nun stehen wir kurz davor, mit Hilfe dieser und weiterer IT-Unternehmen die Plattform IndustryFusion-X zu realisieren, bei der die Datenhoheit in jedem teilnehmenden Unternehmen verbleibt, die per Plug and Produce implementiert werden kann und so einfach zu bedienen ist, dass sie auch Mittelständlern ohne ausgewiesene IT-Expertise zur Verfügung gestellt werden kann. Das Problem von im Grunde genialen Ansätzen wie Gaia-X oder Manufacturing-X besteht darin, dass es sich der Mittelstand oftmals nicht leisten kann, diese Technologie einzuführen. Und genau darum geht es uns: die Infrastruktur nicht nur aufzubauen, sondern diese gemeinsam in die Praxis zu bringen.

Können denn Mitgliedsunternehmen des DVS auch ohne Mitgliedschaft in der IFF davon profitieren?
Mikulina: Ja, unbedingt. Zum Beispiel sind wir jetzt in der Lage, mit Hilfe einer Blockchain-Technologie ein Bauteil über den gesamten Lebenszyklus auch ohne Chip eindeutig zu identifizieren. Für diesen Digital Product Passport bieten wir gemeinsam mit dem DVS seinen Mitgliedsunternehmen eine Testphase für eine Non-Profit-Plattform namens Industry Fusion Register for Identification (IFRIC) an. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem, was ICANN für URL-Adressen geleistet hat. Klingt zunächst vielleicht abstrakt, tatsächlich ist IFRIC aber ein wichtiges Werkzeug zur Bekämpfung von Produktpiraterie. Der nächste Schritt, den wir im Rahmen des Open Source Summit auf der SCHWEISSEN & SCHNEIDEN vorstellen werden, ist IndustryFusion-X: ein Data Space 4.0., der es uns auch ermöglicht, große Businessmodelle umzusetzen. Und mit seiner Rechenpower erlaubt dieses auch die Anwendung von KI-Modellen – ein Riesendurchbruch! Ich nenne hier nur die Schlagworte Equipment as a Service oder Shared Production.
Herr Jerzembeck, ist ein solcher Ansatz geeignet, die Hürden zu beseitigen, die die Mitgliedsunternehmen des DVS in Sachen Digitalisierung derzeit noch hemmen?
Jerzembeck: Ich denke ja. Denn worin bestehen die Hemmnisse? Für unsere über 17.000 Mitgliedsunternehmen, die zu großen Teilen KMU sind, bestehen Herausforderungen für den Einstieg in Digitalisierungslösungen im Kern darin, dass der Erfolg solcher Umsetzungen oftmals nicht sofort messbar ist, man also zunächst in IT und Mitarbeiter mit entsprechendem Know-how investieren muss, ohne zu wissen, wie sich dieser Schritt monetär und im Wettbewerb auszahlen wird. Hinzu kommt die Sorge unserer Hidden Champions – und davon gibt es sehr viele – Daten von womöglich exklusivem Prozess- oder Produkt-Know-how zu teilen. Teilweise kann ein Unternehmen sich dadurch auch selbst in der Entwicklung hemmen, z. B. weil es aus Unkenntnis neue Geschäftsmodelle für eigenes Know-how nicht erschließt. All diese Hemmnisse kann eine Open Source-Lösung wie die der IndustryFusion Foundation ausräumen. Fest steht jedenfalls: Wir müssen die Herausforderung der Digitalisierung annehmen, weil unsere Unternehmen sonst international nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Kleinpaß: Dem Thema Wettbewerbsfähigkeit müssen wir uns genauso messeseitig stellen. Die SCHWEISSEN & SCHNEIDEN ist die Weltleitmesse, die wollen wir aber auch bleiben! Dazu müssen wir uns mit der Branche bewegen, zumal wir beobachten, dass der einstige Charakter der Messe als Orderplattform sich zunehmend in Richtung Innovation und Kommunikation bewegt. Dass der Open Source Summit der IndustryFusion Foundation erstmals im Rahmen der Messe stattfindet, unterstreicht diese Akzentsetzung. Gleich am ersten Messetag werden alle Informationen zum Thema Digitalisierung in die Welt gegeben, verbunden mit der Option, sich in den folgenden Tagen bei den Unternehmen an den Messeständen im Detail noch genauer zu informieren – das bietet für Besucher einen echten Mehrwert.
Worauf freuen Sie sich noch im Programm der SCHWEISSEN & SCHNEIDEN?
Kleinpaß: Ich persönlich freue mich besonders auf den Future Hub. Das ist eine neue Kommunikationsfläche mitten im Messegeschehen mit den unterschiedlichsten Formaten: von Panel-Diskussionen über Meet & Greets bis hin zu Speaker Slots für Aussteller. Wir haben Content Creators wie Igor Welder und andere Influencer zu Gast, planen eine Talkrunde mit weiblichen Führungspersönlichkeiten, es geht um CO2-Reduktion und Cyber Security – also wirklich ein umfassender Blick auf viele Themen, die die Branche bewegen.
Jerzembeck: Fachlich interessieren mich vor allem zwei Themen besonders: Zum einen haben wir bei den Forschungsprojekten, die wir über die DVS Forschung fördern, in jüngster Vergangenheit einen Schwerpunkt auf der Validierung von Verfahren zur Prüfung von Schweißnähten gesehen. Diese direkt an den Schweißprozess adaptierten Qualitätsbewertungen erfolgen in Echtzeit automatisiert, online oder inline. Dies ist übrigens auch ein Thema, das direkt mit der Digitalisierung und dem Einsatz von KI zusammenhängt. Interessant wird sein, welche Produkte aus diesen Projekten entstanden sind. Das zweite Thema betrifft regulatorische Vorgaben, die wegweisend für die Branche sein werden. Wann auch immer der EU-weite Grenzwert für Schweißrauch genau in Kraft treten wird: Er wird kommen und es herrscht akuter Handlungsbedarf. Ich bin sehr gespannt, welche Lösungen wir in Richtung Schweißrauchminimierung sehen werden. Ein Schlüssel zum Erfolg wird dabei auch die Prozessführung mit der jeweiligen Dokumentation sein. Und damit wären wir wieder beim Thema Digitalisierung.
Mikulina: Ich glaube, dass wir die Verknüpfung von Maschinenbau und IT auf dem diesjährigen Open Source Summit noch viel besser darstellen können als bei der Premiere. Und auch wenn viele Konzepte digital sind – die persönliche Präsentation und die Kommunikation ist hierfür einfach viel effizienter als das Selbststudium im Internet.
Kleinpaß: Genau deshalb steht die SCHWEISSEN & SCHNEIDEN 2025 ja auch unter dem Slogan „Join the Future“.

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